Achtung, Realsatire! Mit unserer Web-Doku-Soap erinnern wir uns selbst immer wieder daran, dass Kunden ebenso wie Berater eben auch nur Menschen sind. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist daher zufällig, jedoch keineswegs ausgeschlossen.
Um die Sache mit den Stellmotoren zu klären, war Volker Männlein auf dem Weg in die Produktion. Irgendwie ärgert ihn jedoch, dass ausgerechnet der Personalleiter Stefan Schmidt mit Herbert reden sollte. Das erinnerte Volker auf unangenehme Weise daran, dass er noch die Mitarbeitergespräche zu führen hatte. Im letzten Jahr hatte einer aus der Mechatronik gekündigt und sich sogar noch darüber beschwert, dass er nie ein Gespräch bekommen hatte. Stefan Schmidt hatte ihn daraufhin belehrt, dass Mitarbeitergespräche Teil seiner Zielvereinbarung seien.
Was für ein Unsinn! Schließlich gab er klare Anweisungen bei der Arbeit und sprach über Sportergebnisse während der Pausen; manchmal machte er sogar Small Talk bei der Weihnachtsfeier. Deswegen brauchte er ja eben keine Mitarbeitergespräche. Herrje, wie Volker allein schon diesen Begriff hasste. Dann drehen wir eben den Spieß um, dachte er sich: wenn Herbert schon Produktmanager werden soll, dann ist es an mir, das in die Wege zu leiten. Und wenn Stefan mit meinem Mitarbeiter reden will, muss er eben früher aufstehen.
Kurzerhand bog er in die Werkstätten ab. Die letzte Tür hinten links, gleich neben dem Lager. Von hinten sah er nur einen schmuddeligen Pullover mit abgewetzten Lederflicken an den Ellenbogen sowie graublonde Haare, die strähnig über den Rollkragen hingen. Herbert saß wie immer tief vorn übergebeugt im Licht einer einzelnen Schreibtischlampe. Das Objekt seiner gebannten Aufmerksamkeit befand sich irgendwo zwischen zerknüllten Zeitungen, einer Butterbrotdose und einem halb gegessenen Käsebrot.
Volker legte den Stapel Elektronikfachzeitschriften von einem Bürostuhl beiseite und setzte sich: „Na?“
„Jupp. Und du?“
„Geht so. Die Sache mit den Stellmotoren.
„Mist.“
„Kannst mal in mein Büro kommen?“
„Jetzt?“
„Wär wichtig. Geschäftsleitungskram.“
Herbert ließ die ölverschmierte Zange sinken und legte den halbmontierten Sensor in die Butterbrotdose. Kurz darauf saßen beide in Volker Männleins Büro, das sich noch an der gleichen Stelle befand wie zu seinen Zeiten als Werksleiter, hoch über der Montagehalle.
Herbert blinzelte ihn an. „Also.“
„Was ist jetzt mit der Piezo?“
Herbert zuckte die Schultern: „Die Mechatrons blicken es nicht. Und die Frischlinge haben keine Ahnung von der Fertigung.“
„Du wolltest doch immer Führungskraft werden. Der alte Zipfelhuber meint, du wirst Produktmanager.“
„Was?“
„Naja, er nennt das eben so. Mach dich halt mal schlau. Und mach endlich einen Plan.“
„Was für’n Plan?“ murmelte Herbert abwesend, während er den Begriff Produktmanager in sein Smartphone eintippte.
„Unsere ganzen Varianten eben.“ Volker Männlein zuckte die Schultern. „Und wie die Produkte der Amis reinpassen und einen Zeitplan für die Entwicklung und wieviel Leute du brauchst, und so …“
„Du, guck mal, da gibt’s gerade ein Seminar vom VDI in Berlin. Produktmanagement in der Medizintechnik.“
Männlein verdrehte die Augen: „Na, dann fahr halt hin – Hauptsache, du bist hinterher Produktmanager. Und hast den Plan fertig. Brauch ich übernächsten Montag.“
In der folgenden Woche wurde Volker Männlein klar, dass sich in der Piezo etwas verändern würde. Zunächst drang der Geruch nach After Shave an seine Nase; er dachte schon, der schöne Clemens aus dem Marketing hätte sich hierher verlaufen. Doch dann betrat Herbert das Büro des Werkleiters: er war aus Berlin zurück. Volker hätte ihn fast nicht erkannt, mit modischem Haarschnitt und einem offensichtlich neuen Cordsakko. Unter seinem Arm klemmte eine großformatige Papierrolle. Und Herbert trug eine Krawatte …
Bild: Didier Duforest, Flickr (CC)